Diese Jugend von heute

von Anja Fordon

Diese Jugend von heute

von Anja Fordon

Digital Natives werden sie genannt, digitale Eingeborene. Mit Smartphone-Daumen und Vibrations-induziertem Nervenzucken. Die erste Generation, für die es keine digitale Transformation gab, sondern nur digitale Inversion. War halt nie anders. Und was auch noch nie anders war, ist, dass sich die Alten über die Jungen aufregen. Und andersrum. Aber was hat es tatsächlich auf sich mit der Jugend von heute? Wie sieht ihre Realität aus, wenn online und offline keine voneinander getrennt gedachten Kategorien sind? Was bedeutet Social Media für sie, wie gehen sie mit Mobbing im Web um, was können wir womöglich von ihnen lernen und was bedeutet all das für die Eltern dieser Jugend von heute?

“Diese Jugend. So was hätt’s bei uns nicht gegeben!” – das ist wohl einer der bekanntesten — um nicht zu sagen: besonders berüchtigten — Sätze, die sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zyklisch wiederholen. Generation um Generation. Was es in meiner Generation nicht gegeben hätte: dass wir auf Bildschirmen rumgedrückt hätten, nach links und rechts gestrichen hätten wenn uns langweilig ist – ach ja: Internet? Vielleicht. Internet to GO?! Haha.

Die Jugend von heute aber hat das Internet in der Hosentasche und ist ständig mit anderen verbunden. Früher waren die Grenzen zwischen dieser neuen Sache “Internet” und dem “echten” Leben überdeutlich spürbar. Heute ist es die Unschärfe der sozialen und technologischen Veränderungen, der junge Menschen sich stellen müssen. Und natürlich auch die Eltern dieser Social Media Teenager.

97 Prozent der deutschen Teenager (12 bis 19 Jahre) haben ein Smartphone. Siebenundneunzig. 221 Minuten sind sie im durchschnitt in der Woche online. Meistens auf dem Smartphone. Dieser Wechsel zum Handy, zu einem Zustand der quasi-Symbiose mit dem Internet, stellt die eigentliche Veränderung dar. Und da die mobile Technologie, naja, mobil ist, befreit sie die Kids von der elterlichen Aufsicht. Das bedeutet, dass sich nicht nur die Beziehung zwischen Jugendlichen und dem Internet verändert, sondern auch die Beziehung zwischen diesen Social Media Teenager und ihren Eltern.

Aber was ist es genau, das die Jugend von heute ausmacht?

 

Womit haben es typische Kinder und typische Eltern im digitalen Zeitalter zu tun? In unserem Podcast IRL durfte Veronica Belmond einen ersten exklusiven Blick auf eine Studie von Common Sense Media werfen.     Common Sense Media ist ein gemeinnütziger Verein, der sich der Unterstützung von Kindern in der Welt der Medien und Technologien widmet.

Um zu verstehen, wie Teenager im heutigen Zeitalter mit Social Media und mobilen Geräten umgehen, führte Common Sense zwei massive Umfragen in den USA durch — zuerst 2012 und dann wieder 2018, um eine mögliche Veränderungen wirklich abbilden zu können. In diesen sechs Jahren hat sich Anzahl der Jugendlichen, die Social Media nutzen, verdoppelt.

Und wie geht es unseren Kindern in dieser Online-Umgebung emotional und sozial? Eigentlich ziemlich gut: Junge Menschen sind 2018 nicht mehr deprimiert, weniger selbstbewusst, weniger beliebt oder fühlen sich schlechter als 2012, so die Studie von Common Sense Media. Klingt schon mal gut. Heißt das, dass all die Sorgen darüber, dass dieses ständige Online-Sein unsere Kinder (und uns selbst) emotional verkümmern lässt, also völlig unberechtigt?

Kommunikation verändert sich

Ist es gut, dass immer weniger junge Menschen das persönliche Miteinander-Reden dem Texten vorziehen? Mir bricht regelmäßig der Schweiß aus, wenn mein Telefon tatsächlich klingelt. Also für einen richtig echten Anruf. Reden? So direkt? OMG!

Dieses Phänomen spiegelt einen größeren kulturellen Wandel wider: von der analogen zur digitalen Kommunikation. Kommunikation war schon immer einem ständigen Wandel unterworfen, hat sich neue Wege und Medien gesucht. Aber was ist mit der Angst davor, dass Sozialkompetenzen der Digitalisierung zum Opfer fallen – und welche Rolle spielt das Suchtpotential oder der Umstand, das viele Dienste genau darauf aus sind, süchtig zu machen?

 

“Wir wissen, dass es heute mehr Depressionen und Ängste unter Jugendlichen gibt. Zumindest in dieser Studie führen Jugendliche das aber nicht auf die Nutzung von Social Media oder digitalen Technologien zurück. Wir wissen auch, dass Kinder ein viel weniger riskantes Verhalten an den Tag legen als noch vor einigen Jahren. Weniger Teenagersex, weniger Teenager-Alkoholkonsum, weniger Teenager-Drogenkonsum”, sagt Sierra Filucci von Common Sense Media. “Etwa 47 Prozent der Kinder sagen, dass sie sich von ihren eigentlichen Geräten abhängig fühlen, gegenüber 24 Prozent, die von Social Media abhängig sind.”

Heißt das, wir als Elterngeneration müssen nicht den Zugang zu Social Media, sondern vielmehr ganz generell den Zugang zu den Geräten begrenzen?

“Das Wichtigste ist, soweit wie möglich in das Leben Deines Teenagers eingebunden zu bleiben. Social Media mit Neugierde und nicht mit Verachtung anzugehen. Viele Eltern verstehen nicht, was auf Social Media passiert, verstehen nicht, was ihre Teenager da eigentlich tun. Sie haben diese antagonistischer Beziehung. Sie sagen: ‘Weg vom Handy!’ so wie Runter von meinem Rasen!’. Das ist wirklich ein Fehler und kann tatsächlich die Beziehung zwischen Eltern und Teenagern schwächen.”

Du hast eine Chance nachzuvollziehen, was Dein Kind da den ganzen Tag treibt

Es ist wichtig, das wir als Gesellschaft all die Plattformen da draußen verstehen – unabhängig von unserem Alter.

“Auch dann wenn Du kein aktiver Snapchat-er wirst, lade es auf Dein Handy herunter. Versteh die Grundlagen und Du hast eine Chance nachzuvollziehen, was Dein Kind da den ganzen Tag treibt. Vielleicht sogar, warum”, sagt Sierra. Und das ergibt Sinn. Schließlich gibt es nahezu unbegrenzt viele Angebote und Apps – und einige davon sind perfekte Nährböden für Cybermobbing und Hate Speech. Nur wenn wir wissen, womit wir es zu tun haben, können wir reagieren. Einfach nur ‘dagegen’ zu sein wird das Phänomen nicht aufhalten.

“Eltern müssen verstehen, welche Apps ihre Kinder benutzen und darin auch den Umstand erkennen, dass sie eine Vielzahl von Interessen haben – und die auch gefördert werden sollten. Es geht also darum, Grenzen zu setzen, Ihr Kind nicht einfach stundenlang in seinem Zimmer auf Netflix oder Instagram oder was auch immer herumhängen zu lassen, sondern zu sagen: Okay, jetzt ist es Zeit für eine Fahrradtour oder Musik, Sportunterricht, was auch immer”.

Zudem gibt es gibt eine Reihe von Firefox-Erweiterungen, die Eltern helfen, den Einfluss auf die Internet-Erfahrung ihrer Kinder nicht komplett zu verlieren. Eine Möglichkeit, die Ihnen gefallen könnte, ist der familienfreundliche Filter Parental Control. Er fördert ein sicheres digitales Umfeld, indem er unangemessene Websites blockiert. Einen Link zu dieser Erweiterung und vieles mehr finden Sie in den Shownotizen dieser Episode unter irlpodcast.org.

IRL HÖREN

Erfahre mehr über die Studie von Common Sense Media und lerne was wir sonst noch tun können, um unseren Kindern eine gesunde und großartige digitale Welt zu präsentieren? In der aktuellen Folge von IRL “Kids these days” geht Veronica Belmont genau diesen Fragen auf den Grund. Jetzt hören!.

[Dieser Podacst ist in Englisch]