Games, Gaming und Gamification

von Michaela Smiley

Games, Gaming und Gamification

von Michaela Smiley

Spiele sind so alt wie die Menschheit – und damit viel älter als das Internet. Sie waren immer schon eine Quelle der Unterhaltung, ein Ausdruck von Kameradschaft und eine der wichtigsten Formen des Lernens. Mit der technologischen Evolution wurde es möglich, Spiele in andere Medien zu übertragen, die deren Popularität noch mehr steigerten. Videospiele zum Beispiel. Big Tech gamifiziert heutzutage viele Elemente unseres Online-Lebens. Umso wichtiger ist es, zu verstehen, warum wir uns so sehr zu ihnen hingezogen fühlen. Dieses Wissen erlaubt Dir nämlich, hinter die Kulissen der Gamification zu blicken und bewusste Entscheidungen online zu treffen. Denn Spiele machen nicht nur Spaß, sondern können auch einen gewissen Suchtfaktor in sich tragen, von dem Technologie-Unternehmen enorm profitieren können.

Games

Ein Spiel, das wir alle kennen und alle in unsere Kindheit gespielt haben, ist Tic Tac Toe oder Drei Gewinnt. Erinnerst Du Dich noch? Wahrscheinlich ist es das erste strategische Spiel, das die meisten von uns in unserer Kindheit lernen: Die Spieler machen abwechselnd Kreuze und Kreise (X’s und O’s) in einem 3×3-Gitter mit dem Ziel, drei gleiche Symbole in einer Reihe zu positionieren. Alles, was man dazu braucht, sind ein Zettel und ein Stift. Runde um Runde. Wenn man verliert, versucht man es gleich nochmal. Und irgendwann hat man raus, wo man am besten sein ersten Zeichen setzt, um das Spiel zu gewinnen. So haben wir alle Sportsgeist gelernt und das mit einer Menge Spaß – seit Generationen.

Das weltbekannte New Yorker Metropolitan Museum of Art, kurz MoMa, stellt ein Brettspiel aus dem Alten Ägypten aus, das stark an die Ästhetik von Tic Tac Toe erinnert. Menschen spielen Spiele seit Jahrhunderten. Aber warum nur? Ludologen (das sind Wissenschaftler, die sich mit Spielen und den Kulturen um sie herum beschäftigen) sagen, das unsere Liebe zu Spielen tief in uns verankert ist. Wir lieben es, uns selbst herauszufordern, anderen näherzukommen, und ja – wir lieben es auch ganz einfach, zu gewinnen.

 

Gaming

Gewinnen ist eine Leistung und Leistung zu erbringen, fühlt sich gut an. Deswegen überrascht es auch nicht, dass der technologische Fortschritt mehr und mehr Möglichkeiten eröffnet, Gewinnen zum Ziel vieler alltäglicher Tätigkeiten zu machen – und sie sozusagen spielerisch aufzuwerten. Das zeigt sich schon daran, dass die Anzahl an Videospielen online und offline in den letzten drei Jahrzehnten rapide gewachsen ist.

Als Sega in den frühen Neunzigern Sonic auf den Markt brachte, verliebten sich die Kinder reihenweise. Sie liebten das Gefühl, als Sonic im Spiel zu sein und ihre jüngeren Geschwister alt aussehen zu lassen (wenn die überhaupt mitspielen durften). Heutzutage ist die Immersionskraft von Spielen auf einem ganz anderen Level: Augmented-Reality-Elemente erlauben es dem Spieler, mehr zu sehen, mehr zu fühlen und mehr Kontrolle über das Spielerlebnis zu haben als je zuvor. Man ist buchstäblich mittendrin, so wie bei Pokemon GO.

Laut der Entertainment Software Association liegt der Umsatz der Videospielindustrie in den USA bei $36 Billion, in Deutschland waren es 2017 laut deutschem Game-Verband 3,3 Milliarden. Überraschend? Für die meisten sicherlich nicht. Der Sozialpsychologie Scott Rigsby hat in seinem Buch Glued to Games: How Videogames Draw Us In and Hold Us Spellbound die Verlockungen von Spielen entziffert. Rigsby glaubt, dass Spiele deswegen eine so große Rolle in unserem Leben und in der Technologie spielen, weil sie folgende urmenschliche Bedürfnisse befriedigen:

  • Competence (Kompetenz) – Das Bedürfnis nach Kontrolle und dem Gefühl, erfolgreich zu sein;
  • Autonomy (Autonomie) — Das Bedürfnis, unabhängig und autark zu sein; und
  • Relatedness (Verbundenheit) — Das Bedürfnis danach, anderen etwas zu bedeuten und ihnen wichtig zu sein.

Wenn Spiele unsere urmenschlichen Bedürfnisse befriedigen, ist das eine gute Sache, oder? Gabe Zichermann geht in seinem TED Talk sogar so weit, zu behaupten, dass Spielen unsere Kinder klüger macht. Er behauptet, das Spiele Kinder besser darin fördern, Probleme zu lösen und sich überhaupt in allem zu verbessern – von Autofahren bis hin zu Multitasking.

Aber es gibt auch andere Meinungen. Im Juni 2018 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zum ersten Mal Spielsucht – Gaming Disorder – als eine psychische Erkrankung in seinen Katalog aufgenommen, die International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems. Untersuchungen zu Gaming haben nämlich gezeigt, dass es in manchen Fällen schädliche Folgen haben kann. Eine amerikanische Studie von 2009, die im Fachjournal Psychological Science veröffentlicht wurde, ergab, dass etwa 8,5 Prozent der Amerikaner im Alter von acht bis 18 Jahren pathologische Verhaltensweisen in Bezug auf Videospiele zeigen. Eine andere Studie, diesmal im American Journal of Preventive Medicine, fand Zusammenhänge zwischen Gaming und psychischen wie physischen Gesundheitsrisiken bei Erwachsenen.

Die Weltgesundheitsorganisation sagt: “Personen, die an Spielen teilnehmen, sollten auf die Zeit achten, die sie für Spielaktivitäten aufwenden, insbesondere wenn sie andere tägliche Aktivitäten ausschließt, sowie auf Veränderungen ihrer physischen oder psychischen Gesundheit und ihres sozialen Funktionierens, die auf ihr Spielverhalten zurückzuführen sind.”

Gamification

Gamification ist die Anwendung von Game-Design-Elementen und Spielprinzipien in Nicht-Game-Kontexten. Das Zuhause von Gamification ist heute das Internet. Wenn Unternehmen die Websites, die Du besuchst, die Apps, die Du verwendest und die Betriebssysteme, die Du nutzt, erfolgreich manipulieren, wirst Du zum Stammkunden – und Unternehmen durch Dich reich.

Nimm zum Beispiel Instagram. Instagram nutzt ein Spielelement, das Akademiker den Ludic Loop nennen. Der Ludic Loop ist eine originelle Art zu sagen, dass Du etwas dann sehr wahrscheinlich immer und immer wieder tun wirst, wenn du manchmal eine Belohnung dafür bekommst (so wie bei Spielautomaten in Casinos zum Beispiel).

Wie oft aktualisierst Du Deinen Instagram Feed? Und aktualisierst ihn wieder? Und wieder? Und nochmal, nur um ständig auf neuen Content zu hoffen? Du aktualisiert wahrscheinlich häufiger, als du es tatsächlich mitbekommst. Technologie mit Ludic Loops zu bauen, bedeutet, bewusst süchtig machende Technologien zu bauen. Und die große Belohnung ist nicht der großartige Content, den Du vielleicht zu sehen bekommst. Tatsächlich nämlich ist es das Geld von Werbetreibenden, das Instagram einstreichen kann, weil sie es schaffen, deine Aufmerksamkeit so lange in der App zu halten.

Wird mit Dir gespielt?

 

Denk dran: Du bist der Spieler!

Gamification kann ein mächtiges Werkzeug sein, das uns hilft, Dinge zu erreichen, die wir im Leben wollen. e-Learning Industry geht davon aus, dass erfolgreiche Online-Bildungsprogramme Gamification-Techniken nutzen, um beispielsweise das natürliche Bedürfnis des Menschen nach sozialem Kontakt, Gewinnen und Wettbewerb zu fördern. Du willst eine andere Sprache lernen? Dafür gibt es eine tolle gamifizierte App: DuoLingo. Willst du fit werden? Probier’ Orange Theory aus – eine app, die mehrstündige Kurse gamifiziert, in denen Mitglieder gegen sich selbst und andere antreten, um die optimale Herzfrequenz zum Kalorienverbrennen zu erreichen. Bock auf Meditieren? Ja, auch dafür gibt es eine spielerische App: Mit Insight Timer sollst du dich mit anderen, die gleichzeitig meditieren, verbunden fühlen.

Gamification ist überall und es wird zunehmend schwerer, diesen Prozessen zu ‘entkommen’. Aber sobald Du weißt, dass es sie gibt und wie Technologieunternehmen Gamification nutzen, um Dich zu verführen, kannst Du Grenzen setzen und Vorkehrungen treffen, sodass Du nur die Sonnenseiten der Gamification zu spüren bekommst.

Du willst mehr erfahren? Höre jetzt die neueste Folge von Mozilla’s IRL Podcast (auf Englisch) “Press Play”.

 

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