Von der Freiheit des Sicherseins im Netz

Cathleen Berger - Lead, Engagement with Global Internet Fora

Von der Freiheit des Sicherseins im Netz

Cathleen Berger - Lead, Engagement with Global Internet Fora

Dieselben Technologien können Chance sein oder Gefahr – je nachdem für welchen Zeck sie eingesetzt werden. Cathleen Berger, Lead Engagement with Global Internet Fora, erzählt, warum es ohne den Schutz der Privatsphäre keine Freiheit geben kann und wie sie sich für Mozilla in wichtigen internationalen Gremien und Foren für ein offenes Internet einsetzt.

Diese Stadt ist verrückt. Berlin, Hauptstadt des Landes, trägt die Tätowierungen, Narben und Denkmäler einer Vergangenheit von widersprüchlicher Parallelität. Eine Stadt, in der vollständige Überwachung und vom Aufschwung durchdrungener Freiheitsdrang sich jeden Abend beim Schichtwechsel die Hand schüttelte. Heute feiert und kuschelt die Welt vor den aufregenden Kulissen dieser bizarren Historie. Berlin ist Mahnmal und Zufluchtsort zugleich.

 

Berlin, das ist auch ein Gefühl, das besonders in den Menschen lebt, die hier ihre Wurzeln haben. Cathleen Berger, Lead, Engagement with Global Internet Fora bei Mozilla, auf der ganzen Welt zuhause, zieht es gerade auch deshalb immer wieder in ihre Geburtsstadt zurück. “Wenn man in einer geteilten Stadt aufwächst, muss man gar nicht weit gucken, um zu sehen, was für ein wichtiges Gut Privatsphäre ist. Was macht ständige Überwachung mit Menschen, wie verändert das unsere Verhaltensweisen?“

Cathleen Berger Mozilla Berlin Spree Oberbaumbrücke

Privatsphäre ist die Grundlage dafür, in Freiheit zu denken und seinen eigenen Weg zu gehen

Heute beobachtet Cathleen für Mozilla digitale Entwicklungen in einer Vielzahl globaler Foren, versucht international darüber aufzuklären, warum Privatsphäre und Sicherheit in allen Prozessen – unternehmerisch und staatlich – unbedingt mitgedacht werden müssen.

 

Neben all den anderen netzpolitischen Themen, die sie in den Foren vertritt, ist die Privatsphäre, als geschützter, persönlicher Raum, Grundlage dafür, sich selbst zu finden, in Freiheit zu denken, zu gestalten, seinen eigenen Weg zu gehen.

 

Privatsphäre ist nicht selbstverständlich, auch wenn sie das eigentlich sein sollte. Wir müssen diesen Bereich aktiv schützen. Klar machen, dass hier niemand eindringen darf.

 

Heute ist Überwachung vielschichtiger und weltumspannend.

“Wir haben diese sehr junge Geschichte hier in Deutschland, in der Staatsüberwachung mehr oder weniger sicht- und greifbar war.” sagt Cathleen. Heute sei Überwachung in erster Linie digital. Vielschichtiger und weltumspannend. “Weil Überwachung nicht mehr rein staatlich ist, sondern die meisten Informationen heutzutage von Unternehmen – und damit außerhalb demokratischer Kontrolle gesammelt werden.“

 

Mozillas globales Engagement zu Themen wie diesen vertritt Cathleen in internationalen Foren, wie den Vereinten Nationen, dem World Economic Forum, den G20 u.v.m.. Aufklären. Hinweisen. Fragen stellen, die zum Denken anregen. Um Menschen auf der ganzen Welt deutlich zu machen, wie viel Kontrolle sie tatsächlich aufgeben – ohne es zu merken. Um Unternehmen und Regierungen dazu aufzufordern, Privatsphäre und Sicherheit immer mitzudenken.

Was hat Mozilla und Technologie mit Politik und Demokratie zu tun?

In den internationalen Foren, wie den Vereinten Nationen, dem World Economic Forum, den G20 u.v.m vertritt Cathleen Mozilla bezüglich einer Vielzahl von Themen, damit das Internet eine offene, zugängliche Ressource bleiben kann. So wirkt Mozilla beispielsweise beim World Economic Forum an der Initative Iternet for All mit und bringt in Partnerschaft mit Digital Opportunity Trust das Digital Ambassadors Programme in Ruanda voran.

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„Ich habe schon als Kind immer viele Fragen gestellt."

„Ich habe schon als Kind immer viele Fragen gestellt, was für meine Familie bestimmt manchmal nicht einfach war. Ich habe nie locker gelassen. Ich wollte einfach mehr wissen, tiefer eintauchen, etwas bewegen.” Nach dem Bachelor ging sie nach Neuseeland, wo sie mit Greenpeace an einer Infrastruktur-Kampagne arbeitete, die auch Fragen der digitalen Vernetzung mitdachte.

 

Zurück in Berlin studierte sie Politikwissenschaften und European Studies mit sicherheitspolitischem Fokus. Der Aufbau des Europäischen Auswärtigen Dienstes wurde Thema ihrer Masterarbeit.

 

Die Promotion sollte noch tiefer gehen, doch das Projekt musste abgebrochen werden. Vor dem Hintergrund der Enthüllungen Edward Snowdens war Cathleens Forschung über den Datenaustausch zwischen BND und Verfassungsschutz nicht mehr möglich. “Zu viele Befragte zogen ihre Einwilligung zur Veröffentlichung meiner Ergebnisse zurück. So wichtig, wie ich Snowdens Enthüllungen fand, so sauer war ich in dem Moment.“

 

Doch dann bot ihr das Auswärtige Amt eine Stelle in der Diplomatie. „Als ich das erste Mal hinter dem Deutschland-Schild in einem internationalen Forum saß, das war ein echter Wow-Moment. Ich habe dieses Verantwortungsgefühl nie verloren und den Respekt vor der Aufgabe, die Interessen vieler zu vertreten – und vor dem damit verbundenen Einfluss auch nicht.”

 

Natürlich ist die Privatsphäre als schützenswertes Gut nur eines von vielfältigen Themen, für die sie sich einsetzt. Schon immer versuchte sie einen Weg zu finden, Menschen über Grenzen hinweg zu vereinen, ohne dabei den Blick des Einzelnen zu vernachlässigen. An der Schnittstelle zwischen Sicherheitspolitik und digitaler Innovation. So wurde Mozilla auf Cathleen aufmerksam.

Innovationen eröffnen auch komplexe Datenfragen

Wir sitzen im Sankt Oberholz, einem der beliebtesten Treffpunkte von Berlins digitaler Boheme. Mehr aufgeklappte Laptops als Latte Macchiatos. Wer hierher kommt, bleibt um zu arbeiten, loggt sich ein in eine Zukunft, die so spannend wie herausfordernd ist.

 

Cathleen trägt eine Kette mit einem silbernen Roboter, der freundlich lacht. „Das passt doch irgendwie”, sagt sie. “Innovation bringt so viele Vorteile mit sich und das fasziniert mich immer noch. Aber all diese Innovationen, die unser Leben leichter machen, wie zum Beispiel ein Fitnessarmband oder ein digitales Thermostat zur Energiereduzierung, eröffnen auch komplexe Datenfragen, fordern Auseinandersetzung. Man muss sich immer fragen: Ist das, was uns Innovationen ermöglichen, auch wirklich das, was wir tun sollten? Was ist ethisch vertretbar?“

 

Wir leben in einer Zeit, da die überwunden geglaubte ständige Beobachtung privater Begebenheiten vor unseren Augen passiert und es doch kaum jemand zu sehen scheint. Wer hinterfragt schon wirklich, warum einen nach dem Kauf der neuen Waschmaschine mit Kreditkarte plötzlich Waschmittelwerbung im Internet verfolgt?! „Man kann Profile erstellen, Vorhersagen treffen. Das geht weit über das hinaus, was man mit staatlicher Überwachung vor dem digitalen Zeitalter machen konnte. Alles ist steuerbar. Man hat fast keine Wahl mehr.”

„Alles ist steuerbar. Man hat fast keine Wahl mehr.”

Deshalb kämpft Cathleen für die globale Ressource Internet, diskutiert die Notwendigkeit von mehr Selbstbestimmung in den wichtigsten internationalen Foren von Politik und Gesellschaft.

 

“Wenn es in Afrika eine Sicherheitslücke gibt, kann das Menschen auf der ganzen Welt beeinflussen. Das Internet ist so programmiert, dass die Daten sich immer den schnellsten Weg suchen. Im Zweifelsfall verlieren wir viele Vorteile, wenn diese Daten gezwungen werden, innerhalb eines bestimmten Bereiches zu bleiben. Deshalb ist es so wichtig, dass wir diesen Raum nicht einschränken und das er nicht dominiert wird, weder von Unternehmen noch von Staaten“, sagt Cathleen.

Das Internet als letzter Ort der Freiheit

Die Netzpolitik bietet hier noch Gestaltungsräume, die es in der klassischen Sicherheitspolitik so nicht mehr gibt. “Das gibt mir Hoffnung, das Internet als letzten Raum der Freiheit verteidigen zu können.“

 

Das ist nicht immer einfach. Oft fragt sich auch Cathleen, ob es vor dem Hintergrund der aktuellen globalen politischen Lage nicht wichtiger wäre, akutere Dinge anzugehen. Geflüchtetenhilfe, Umweltschutz, Bildung. Berlin, ihre Heimat, erinnert sie aber auch immer wieder daran, dass ihre Arbeit von ähnlicher Dimension ist. Dieser Schmelztiegel der Kulturen ist eine Miniaturausgabe dessen, was das Internet in der Lage ist zu tun. Zusammenbringen, Grenzen sprengen, etwas Gutes schaffen. „Manchmal kommt es einem vor, als kämpfe man gegen Windmühlen. Aber ich bin letztlich unverbesserliche Idealistin, sonst könnte ich meinen Job nicht machen. Don Quichote hatte ja auch Erfolg.“

 

Text: Anja Fordon
Foto: Falko Siewert

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