Die virtuelle Welt wird von Menschen gemacht

Interview mit Mozilla Community-Organisator Florian Merz

Die virtuelle Welt wird von Menschen gemacht

Interview mit Mozilla Community-Organisator Florian Merz

Für Florian Merz ist Open Source nicht einfach nur Code, sondern das, was die virtuelle Welt untrennbar mit der realen verbindet. Als Mozilla Community Rep und Mitgründer der Mozilla Open-Night arbeitet freiwillig in seiner Freizeit. Neben seinem Fulltime-Job als Entwickler gestaltet er seit vier Jahren den Aufbau der Berliner Community.

Muss man sich mit Computern richtig gut auskennen, um in der Community mitzumachen?

Florian: Überhaupt nicht. Ich habe selbst erst mit 16 angefangen, mich überhaupt für Computer zu interessieren. Für mich waren immer Menschen drumherum wichtig. Ich habe als Einstieg LAN-Partys kennengelernt. Da treffen sich viele Leute, bringen ihre Computer und spielen zusammen, reden zusammen, haben einfach Spaß. Ich bin in einem sehr kleinen Dorf aufgewachsen, es gab keine größeren Städte drumherum. Für mich war das Internet die Verbindung mit der Welt.

Engagierst Du Dich deshalb so für den Aufbau der Berliner Mozilla Community?

Ja! Ich habe schon in meiner Heimatregion mit ein paar Leuten einen Computerclub gegründet und Workshops für Eltern gemacht, Aufklärungsarbeit, dass Computer-Spielen nicht nur böse ist und Kinder bei LAN-Partys nicht zum Amokläufer werden, sondern ganz viel lernen.

Mozilla Berlin Open Mozilla Night Community Space
“Es macht mir Freude etwas zurückzugeben, was ich durch Open Source gelernt habe”

Menschen über Computer mit der Welt verbinden, aufklären. Hast Du einen besonderen Draht zu digitalen Anfängern?

Während meines Informatik-Studiums in Karlsruhe habe ich mich in einem Arbeitskreis engagiert. Wir haben dort Einführungen in Linux und Webentwicklung für Leute angeboten, die damit noch nicht viel Berührung hatten. Es macht mir Freude etwas zurückzugeben von all den Dingen die mir beigebracht wurden von Leuten, die Open-Source Software schreiben, und Tutorials schreiben und erklären wie die Dinge funktionieren.

 

Was verbindest Du ganz persönlich mit Mozilla?

Ich habe Firefox benutzt seit es Firefox gibt, ich habe davor Mozilla benutzt und war schon dabei, als der Browser noch Phoenix hieß. Mozilla war mein Begleiter im Internet – immer. Es gab keine Alternative, wenn man an freier Software und Open-Source interessiert war. Und wenn man sich ein wenig mit dem Thema auskannte, hat man direkt gemerkt: Da kämpft einer für ein offenes Internet.

 

 

Was schätzt Du besonders an Open Source?

Open Source hat eine ganz andere Grundeinstellung. Alles ist gut dokumentiert, man kann mehr Dinge selber machen, es wird dir, erklärt wie die Dinge unten drunter funktionieren, wenn man etwas nicht versteht. Ich bastele einfach schon immer gerne, mit Computern, aber davor auch in der echten Welt, baue ich gern Dinge und verstehe, wie die funktionieren – wie meine Küche in Berlin. Dinge selbst machen und vor allem zu verstehen, wie alles zusammenpasst, gibt mir einfach viel.

 

Wenn du dir Europa heute anschaust: Sind die Menschen zu weit abgekoppelt, von dem wie die Dinge funktionieren? Wieviel digitales Wissen braucht man heute?

Ich habe manchmal das Gefühl es wäre gut, wenn mehr Leute verstehen würden, mit was sie da den ganzen Tag interagieren. Ich fände es schön, wenn es gesellschaftlich interessanter wäre, sich in solche Dinge einzulesen. Ich denke das es sehr wichtig ist, einfach zu wissen, wie dieses Internet denn funktioniert. Das es nicht irgendwas ist, das da aus der Dose kommt oder heutzutage einfach aus der Luft in mein Handy reinstrahlt, sondern das da viel dahintersteckt und es nichts ist, das es einfach immer so in dieser Form geben wird.

 

Florian Merz Mozilla Berlin Community Space
“Ich hoffe, dass wir bald einen Rasberry Pi Workshop für Kinder anbieten können”

Kinder sind sehr interessiert an diesen Themen. Ein Freund von mir bietet Raspberry Pi Jams an. Raspberry Pi ist ein kleiner Computer etwas kleiner als ein Toast. Eigentlich ist er nur eine Platine. Man kann sehr einfach Knöpfe drauf bauen. Mit Betriebssystem und man kann einen Monitor und Tastatur anschließen. Es sind sicher fast 50% Mädchen, die daran interessiert sind und daran basteln. Ich hoffe, wir können den Workshop bald in den Mozilla Space holen.

 

Es gibt da wahrscheinlich viele Leute in Berlin, die ganz tolle Sachen anzubieten haben…Wie sieht es denn mit digitalen Angeboten für ältere Menschen aus?

Wir hatten bei einem unserer MeetUps mal eine Frau, die macht Computerkurse für Rentner explizit nachmittags. Sie hat das an einen Strickclub angelehnt. Man trifft sich halt, nur diesmal nicht zum Stricken, sondern um sich gemeinsam das Internet und den Computer zu erklären. Hauptsächlich wie man vernünftig im Internet browst und vielleicht noch ein Word-Dokument schreibt. Wir haben eine längere Liste von Dingen, Leuten und Gruppierungen, auf die wir zugehen wollen, wenn der Community Space fertig eingerichtet ist.

 

Was sind eure Top-Themen. Also was liegt euch besonders am Herzen und was könnte man sonst noch machen?

Wir wollen alle Aktivitäten, die irgendwie mit der Mozilla Mission in Verbindung gebracht werden können, unterstützen. Wir wollen keinen neuen Start-Up Inkubator oder Co-Working Space damit kreieren, aber gleichzeitig auch sehr offen sein. Das erste was wir darin gemacht haben war die die Machine Learning Study Group mit 30 Leuten für die wir die Räume gestellt haben. Das hat echt gut funktioniert.

 

Was sind das für Leute die da kommen?

Da haben Leute teilgenommen, die daran schon an eigenen Machine Learning Projekten arbeiten, und andere, die daran einfach nur interessiert sind. Eine Frau hatte Mathe studiert und hat viel Statistik gemacht und wollte sich da gerne in eine andere Richtung weiterentwickeln.

“Für den Bereich Digitale Bildung suchen wir noch Freiwillige, die sich hier mit engagieren wollen”
Hier ist das Mozilla Berlin Büro
Grafitti Schlesische Straße Berlin

Wird sich die Community auch mit Themen der politischen Bildung beschäftigen?

Ich glaube Berlin ist die perfekte Stadt, um mehr in diese Policy und Advocacy Richtung zu machen. Einmal im Monat eine Arbeitsgruppe dazu wäre ideal. Wir hatten im vergangenen Jahr bei der Wikimedia Foundation einen Workshop,mit drei Kurzvorträgen und einer Diskussion zum Urheberrecht. Was sehr sehr gut war. Da haben wir über die Europäische Urheberrechtsreform aufklären und diskutieren wollen. Darüber habe ich in diesem Jahr auch auf der re:pública gesprochen.

 

Wie findet man Leute, die zusammen das gleiche verfolgen und bringt die dann zusammen?

In den ersten zwei Monaten in denen ich in Berlin gab es ein Hack-Weekend, das von der deutschsprachigen Community organisiert war, mit einem Hack-Weekend und spannenden Tech-Talks. Aber eine Berliner Community gab es noch nicht.Bei der nächsten Veranstaltung hab ich für die 80 Teilnehmer gekocht. Da habe ich ein paar mehr Leute kennengelernt beschlossen, ich will hier irgendwas selber machen. Darüber habe ich dann meine ersten Leute gefunden, die hier wirklich auch Lust haben was mit der Community zu machen.

 

Du arbeitest ja auch noch als Entwickler aktuell? Wie kriegst Du das alles hin?

Ja. Es gibt mir einfach ziemlich viel Energie zurück. E Ich bin einfach sehr flexibel. Ich vertraue Leuten, dass sie ihre Zuarbeit machen, ohne das alles zu kontrollieren und die ganze Zeit nachzuhaken, in dem Wissen das, wenn irgendwas schief läuft, bin ich gut genug im Improvisieren, das es trotzdem gut wird.

Mozilla Berlin Community Space Schlesische Straße
Mozilla Berlin Büro Tischtennis Firefox Product Manager

Wie groß ist die Community?

Unsere Meet-Up-Gruppe hat ca. 800 Leute. Wir haben einen halbwegs großen Outreach und wenn wir größere Dinge machen, sind die Leute auch interessiert.

 

Was ist Euer Hauptfokus? Was findet ihr in Deutschland besonders wichtig.

Wir planen einen Bereich für Leute die einfach entwickeln wollen, damit der Open-Source Gedanke weiterentwickelt wird. Ein anderer Bereich könnte sein: Übersetzungen und Content.

 

Auch schreiben? Also den Beitrag von gutem Content?
Absolut. Autoren, die der Mozilla Community mit gutem Content helfen wollen, weiter zu wachsen, sind herzlich willkommen.

 

Wollt Ihr denn auch die digitale Bildung an Schulen unterstützen?
Das nennen wir Web-Literacy. Genau, das steht alles auf unserer Agenda. Ich habe da auch schon mit Lehrern gesprochen. Wir setzen da auf Kooperation und suchen noch Freiwillige, die sich hier mit engagieren wollen.

 

Eine Frage zum Schluss: Lassen sich virtuelle und reale Welt heute überhaupt noch trennen?

Ich lebe zu 100% in der realen Welt. Die virtuelle Welt gab es schon immer, früher waren das Lagerfeuergeschichten, später Fernsehen und Film – also Welten in die man abtauchen konnte. Das Fernsehzeitalter war allerdings weniger interaktiv. Die virtuelle Welt wird auch von Menschen gemacht, sie bietet einfach nur ein anderes Medium, um mit ihnen zu kommunizieren. Ob ich nun mit jemanden telefoniere, oder einen Video Chat habe oder ein Text-Chat über das Internet hab – es hat sich das Medium verändert.

 

Text: Anja Fordon
Fotos: Falko Siewert

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