Von Snapchat-Filtern bis hin zu Apples Face-ID spielt spielt Biometrie eine immer wichtigere Rolle in unserem digitalen Alltag. Unternehmen und staatliche Einrichtungen experimentieren fröhlich mit der automatischen Erkennung unserer Gesichter. Und viele lächeln mindestens ebenso fröhlich in ihre Smartphone-Kameras, um es zu entsperren – mit dem Background oder den Konsequenzen braucht man sich dafür nicht zu beschäftigen. Aber wie lernen Computer und Programme überhaupt, unsere Gesichter wiederzuerkennen? Und was passiert mit unserer Gesellschaft, wenn unsere Gesichter zu Daten werden — überall les- und erkennbar, selbst von “Fremden” (den Kameras)?
Face/On: Wie Computer an ein Gesichtergedächtnis kommen
Manchmal sind die einfachsten Erklärungen die besten: Da gibt es einen Computer der ganz daten-hungrig ist und praktischerweise einen Wissenschaftler, der diesen hungrigen Computer mit Unmengen an Bildern füttern möchte. Nun können sich Computer zwar nicht direkt über eine leckere Mahlzeit freuen – aber sie können sie verdauen. Tausende von Gesichtern verleibt sich der Computer ein und verdaut sie anschließend. Verdauung bedeutet in dem Fall, dass jedes dieser Bilder in Datenpunkte aufgespalten und abgespeichert wird. Besonders figurbewusst gehen Computer und Wissenschaftler mit dem Input nicht um. Denn: Mit jedem Bild wächst das Erkenntnisvermögen des Computers, quasi grenzenlos. Je mehr verschiedene Gesichter er verschlingt, desto besser wird er später in der Lage sein, ein Gesicht wiederzuerkennen. So die Theorie. Klappt auch meistens ziemlich gut, wie verschiedene Studien gezeigt haben. Aber eben nur theoretisch.
Die Crux mit dem Lernen
Gesichtserkennungstechnologie basiert auf Mustererkennung. Sehen wir uns mal die Synonyme für “Muster” im Duden an: Archetyp, Entwurf, Modell, Plan, Prototyp, Schablone, Schema, Standard, Vorlage. Wo liegt der Fehler? Genau: Individualität spielt hier eigentlich keine Rolle. Bei der Wiedererkennung von vertrauten Gesichtern sollte sie das allerdings.
Ergebnisse von Gesichtserkennungssoftware spiegeln keine Wahrheit wider, sondern repräsentieren Wahrscheinlichkeiten. Und die Berechnung dieser Wahrscheinlichkeiten ist wiederum extrem davon abhängig, wie abwechslungsreich der dem Computer anfänglich eingeflößte Datensatz ist. Denn wenn der Computer lernt, dass ein bestimmtes Muster an Daten einen bestimmten Typus Mensch repräsentiert, laufen wir schnell Gefahr, dass unsere Individualität hinter Kategorisierung und Verallgemeinerung verblasst.Wie z.B. Hautfarben, Körperbehaarung, Tätowierungen, Körperschmuck und jegliche Abweichung von der (derzeitigen) Norm — was der Computer nicht “gegessen” hat, kann er nicht erkennen. Die aus solch einem Vorgehen entstehenden Vorurteile haben noch nie irgendwas Gutes mit sich gebracht – historisch betrachtet. Und gerade deshalb müssen wir uns bewusst machen, was mit unseren Gesichtern, unseren Bildern in sozialen Medien oder unserem schönsten (Übewachungs)-Kameralächeln passiert.
Keine Gesichtserkennung, keine Probleme?
Nein, Gesichtserkennung ist auf keinen Fall “böse”. Tatsächlich kann diese Technologie in vielfältiger Weise dazu beitragen, Gefahren frühzeitig zu erkennen, Verbrechen aufzuklären oder vermisste Menschen wiederzufinden. Wie mit vielen Dingen — und vielleicht noch etwas mehr als bei anderen — ist allerdings der bewusste Umgang mit dieser Technologie enorm wichtig. Denn manchmal kann es bedeutend sein, seine Anonymität zu wahren. Zudem sind biometrische Daten besonders sensibel — da nicht ersetz- oder erneuerbar, und müssen entsprechend gesichert werden. Auch sollte man überlegen, ob Authentifizierung über Biometrie der richtige Weg ist – was ist mit Unfällen, Operationen, oder zeitbedingten Veränderungen? Darüber hinaus liegt ein bewusster Umgang mit der Technologie nicht in der alleinigen Verantwortung des Einzelnen. Klar ist es wichtig, darüber nachzudenken, ob man sich wirklich in jedem Bild auf Facebook und Co, taggen lassen will – oder ob man völlig unbedarft sein Gesicht für jede neue Dienstleistung hergeben möchte. Gleichzeitig braucht es aber auch klare, verbindliche Standards, die das Missbrauchspotential von Gesichtserkennungstechnologie minimieren.
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