Mozilla-Untersuchung: TikTok schafft es vor der Bundestagswahl nicht, Falschinformationen einzudämmen

Wie eine heute veröffentlichte Untersuchung der Mozilla Foundation zeigt, gelingt es TikTok nicht, die Verbreitung von Falschinformationen rund um die Bundestagswahl wie angekündigt einzudämmen. Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass TikTok drei konkrete Versprechen gebrochen hat.

Mozilla belegt, dass TikToks automatisierte Kennzeichnungen zur Wahl nicht richtig funktionieren; die Faktenchecks im Wahlkontext hinterherhinken; und dass die Community-Richtlinien – insbesondere in Bezug auf Fake-Accounts – nicht durchgesetzt werden.

Zum vollständigen Report:

Leere Versprechungen: TikTok und die Bundestagswahl

„Etwa 11 Millionen Deutsche nutzen TikTok, das sind 13 Prozent der Gesamtbevölkerung“, sagt Becca Ricks, eine der leitenden Forscherinnen hinter dieser Mozilla-Untersuchung. „Die Maßnahmen, die TikTok zur Wahl angekündigt hat, mögen zwar auf dem Papier gut klingen. Ihre tatsächliche Durchsetzung ist aber fragwürdig und teilweise nicht einmal sinnvoll.“

„TikTok prägt den politischen Diskurs mit, zumal immer mehr politische Gruppen die Plattform nutzen“, sagt Marcus Bösch, ein unabhängiger Forscher, der mit Mozilla an dieser Untersuchung gearbeitet und sie mit geleitet hat. „Doch in dieser für Deutschland so kritischen Wahlperiode wird TikTok der Verantwortung, die mit diesem Einfluss einhergeht, nicht gerecht.“

Mozilla hat im Juli 2021 mit der Untersuchung von TikToks Vorgehen zur Bundestagswahl begonnen. Dabei hat die Non-Profit-Organisation Sekundärdaten, Interviews und verschiedene qualitative Methoden eingesetzt.

Die zentralen Ergebnisse der Untersuchung in der Übersicht:

1. Versäumnis

Auf TikTok gibt es gefälschte politische Accounts und Fehlinformationen zur Wahl

TikTok hat versprochen, seine Community-Richtlinien strikt durchzusetzen, tut dies aber nicht. Die Mozilla-Forscher:innen haben mehrere TikTok-Accounts mit einer beträchtlichen Fangemeinde ermittelt, die sich als prominente deutsche politische Institutionen und Personen ausgeben. Dies wiederum stellt einen klaren Verstoß gegen die Richtlinien der Plattform dar.

Der Account @derbundestag beispielsweise gibt sich als offizieller Bundestags-Account aus, teilt politische Inhalte und hat 14.100 Follower und 130.800 Likes:

Der Account @frank.walter.steinmeier wiederum gibt sich als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier aus. Das Konto postete häufig Videos, die für das deutsche Militär warben und hatte 3.000 Follower und 72.300 Likes. (TikTok hat dieses Konto inzwischen gelöscht, jedoch ist es unklar, wie lange es aktiv war, wer es betrieb und welchen Einfluss es auf seine deutschen Nutzer:innen hatte).

2. Versäumnis

TikToks automatisierte Kennzeichnung zur Wahl funktioniert nicht

TikToks automatischer Ansatz zur Kennzeichnung von Inhalten zur Bundestagswahl mit Informationsbannern ist nicht effektiv, da die Videos falsch gekennzeichnet werden.

Beispielsweise erscheinen Wahlkennzeichnungen zu allen Inhalten, die den Hashtag #SPD verwenden. Ein Großteil der Inhalte mit dem Hashtag #SPD bezieht sich jedoch nicht auf die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, sondern auf das englische Akronym für Themen wie sensorische Verarbeitungsstörung (Sensory Processing Disorder), schizoide Persönlichkeitsstörung (Schizoid Personality Disorder), schizotype Persönlichkeit oder sexuelle Vergnügungsvorrichtung (Sexual Pleasure Device).

Der offizielle TikTok-Account der AfD (@afd.offiziell) wiederum enthält einige nicht gekennzeichnete Posts. Obwohl sich die meisten Beiträge des Kontos auf die Wahl beziehen, werden einige nicht gekennzeichnet, weil sie nicht die von TikTok vordefinierten Hashtags enthalten.

3. Versäumnis

TikTok hat zu spät mit Faktenchecks zur Wahl begonnen

Im Rahmen einer breit angekündigten Partnerschaft mit Deutschlands größter Presseagentur dpa (Deutsche Presse-Agentur GmbH) hatte TikTok versprochen, Inhalte zur Bundestagswahl einem Faktencheck zu unterziehen. Die Mozilla-Forscher:innen haben jedoch herausgefunden, dass dieser Vertrag erst vor kurzem unterzeichnet wurde und somit auch die Prüfung der Fakten erst kürzlich begonnen hat. Dieser Umstand ist besorgniserregend, da Fehlinformationskampagnen in der Regel viele Monate vor dem tatsächlichen Wahltag beginnen.

In seinem Report nennt Mozilla vier konkrete Schritte, die TikTok unternehmen sollte, um die genannten Probleme anzugehen und seine Ankündigungen in die Tat umzusetzen:

  1. Verstärkte Investition von Ressourcen in den Kennzeichnungs-Mechanismus;
  2. Früherer Beginn der Faktenchecks im Vorfeld von Wahlen;
  3. Konsequente Umsetzung der Community-Richtlinien;
  4. Schaffung einer öffentlichen Schnittstelle (API), um die Entfernung von Inhalten für unabhängige Forscher:innen besser nachvollziehbar zu machen.

Der vollständige Mozilla-Report ist hier in deutscher Sprache verfügbar.