Ein Skandal, eine Serviette und die Internetgesundheit

Von Mark Surman

Heute präsentiert Mozilla seinen Statusbericht zur Internetgesundheit in der ersten vollumfänglichen Ausgabe: ein Open-Source-Projekt, das den Zustand des menschlichen Lebens im Internet erforscht.

Während wir dem Bericht gerade den Feinschliff verpassten, liefen in den Vereinigten Staaten die Diskussionen heiß: Es ging um die anstehende Aussage von Facebook-Chef Mark Zuckerberg zu den Enthüllungen über die an Cambridge Analytica weitergegebenen Nutzerdaten. Die Debatte: Was genau sollten der Senat und der Kongress ihn fragen?

Die Liste der offenen Fragen ist lang. Was machen wir mit den Daten von bis zu 87 Millionen Menschen, die unwiederbringlich im Umlauf sind? Kann künstliche Intelligenz uns helfen, verdächtiges Verhalten bei Wahlen aufzudecken? Welche Verantwortung hat Facebook gegenüber seinen Nutzern und der Öffentlichkeit? Wenig überraschenderweise waren die Themen breit gestreut. Wir haben momentan noch keine kollektive Vorstellung davon, wie wir diese Themen verknüpfen können.

Eine Karte dafür zu entwerfen, ist deshalb ein zentrales Ziel des Statusberichts zur Internetgesundheit, in dem Menschen aus Mozillas gesamter erweiterter Community sowohl Forschungsergebnisse als auch Analysen über das Internet zusammengetragen haben.

Es gab Momente, in denen sich das Zusammenstellen des diesjährigen Berichts wie ein großes Flickwerk anfühlte. Wir kartieren neues Gelände und haben jeder nur einen Ausschnitt der Karte.

Ein Beispiel: Wir haben wochenlang darum gerungen, aus welcher Perspektive wir die Spotlight-Geschichte rund um sogenannte ‘Fake News’ und Desinformation beleuchten. Wir haben hin und her diskutiert, welche Aspekte dieser komplexen Thematik wir jeweils am wichtigsten fanden. Und dann hatten wir einen „Aha!”-Moment: Alle Themen, für die wir uns bisher eingesetzt hatten, sollten in einer größeren Geschichte zusammengefügt werden.

Ich skizzierte eine Liste auf einer Serviette; ein Hilfsmittel, um unsere Gedanken zu ordnen.

 

Was auf der Serviette stand:

Die Sammlung all unserer Daten

+ Zielgruppengenaue Werbung

+ Bots und Fake Accounts

+ FB dominiert die Nachrichten-Distribution

+ nicht genug Digitalkompetenz

= Treibstoff für Betrug und Missbrauch,

und sehr schlimme Folgen für die reale Welt

 

 

So wie beim Rest des Berichts entstand im Zuge des Hin und Hers ein kompakter Beitrag: ein Beitrag, der Desinformation in den technischen und wirtschaftlichen Zusammenhang, der dem Internet zugrunde liegt, einbindet.

Dieser Prozess hat uns auch daran erinnert, dass das Internet ein komplexes soziales, wirtschaftliches und technisches Ökosystem ist: Ein lebendiges System aus Computern, Daten und Menschen. Wenn wir uns mit Themen wie dem Cambridge-Analytica-Skandal auseinandersetzen, müssen wir auch einmal einen Schritt zurücktreten, um das gesamte Ökosystem in den Blick zu nehmen. Der Statusbericht zur Internetgesundheit wurde entworfen, um uns genau dabei zu helfen.

Der Bericht soll auch inspirieren. Er enthält Interviews mit: ehrenamtlichen Notfallteams für Cyber-Sicherheit; Aktivisten, die quelloffene, zivilgesellschaftliche Bots entwickeln; und Ingenieuren, die ein wirklich mehrsprachiges Internet ermöglichen. Während die größten Schlagzeilen in den Medien häufig negativ sind, gibt es auch jede Menge guter Nachrichten, die die meisten Menschen gar nicht mehr im Blick haben. Genau hier finden wir Hoffnung und Ansporn.

Diese Hoffnung teilt auch die umfassendere Bewegung, der Mozilla angehört: die Open-Source-Bewegung. Die Bewegung für die Freiheit des Internets. Die Bewegung für digitale Rechte. Wie auch immer Sie sie nennen möchten – es gibt eine wachsende Kraft, die für die Idee eintritt, dass wir eine digitale Welt erschaffen können, die für alle offen, zugänglich und einladend ist.

Es sind Leute aus allen Teilen dieser Bewegung, die den Statusbericht zur Internetgesundheit zusammengestellt haben: clevere und engagierte Forscher*innen, Ingenieur*innen, Datenforscher*innen, politische Analyst*innen, aber auch Künstler*innen. Zusammen hatten wir intensive, gemeinschaftliche Diskussionen. Wir haben komplexe Ideen vereinfacht. Wir haben die Einzelpunkte verknüpft. Und wir haben begonnen, eine Karte der Probleme, Chancen und Rätsel des menschlichen Online-Lebens zu zeichnen.

Selbstverständlich ist der Entwurf einer solchen Karte nicht einfach mit einer einmaligen Veröffentlichung erledigt. Genau wie das Internet ist sie etwas, das wir nur gemeinsam erschaffen können, im Laufe der Zeit. Genau deshalb ermutigen wir Sie, mit uns gemeinsam aktiv zu werden. Das Internet ist ein von Menschen entwickeltes Ökosystem. Daher entscheiden auch die Menschen, was es ist und was es nicht ist. Es liegt an uns allen, es uns gesund und menschlich vorzustellen – und es genau so zu erschaffen.